„Les Misérables“ im Stadttheater Klagenfurt

Wie ich bereits vor einigen Monaten herausgefunden habe, kann auch Theater süchtig machen. Wäre auch nicht schlimm, wenn es nicht so viel kosten würde. Meine große Begabung scheint leider zu sein, dass ich andere Leute damit anstecken kann. Meine Schwestern, zum Beispiel. Nachdem ich mit meiner Schwester Victoria Les Misérables gleich nach meinem Geburtstag gesehen hatte, waren wir beide ziemlich elektrisiert. Kein Wunder, meine Eltern schenkten mir Karten in der ersten Reihe. Wir mussten uns nur vorbeugen, schon konnten wir das Orchester begutachten. Wenn ich die Hand ausgestreckt hätte, hätte ich dem Dirigenten die Schweißtropfen abwischen können.

Das einzige Minus, das ich finden konnte, waren die Reime. Heilige, wenn ich das machen würde, würde mann mich aufknüpfen. Reim dich oder stirb hätte nicht auffälliger sein können, was natürlich gar nichts mit der Aufführung zu tun hat, sondern eher mit der Übersetzung. Naja, was soll man machen?

Wie immer, musste ich mir natürlich irgendwie die Musik beschaffen. Was sich bei der Dreigroschenoper als unmöglich herausstellte (die Aufnahmen sind aus den 1930er Jahren, und keine Musicalstimmen, deshalb klingt das im Allgemeinen ziemlich seltsam), ging hier ganz leicht. Die CD von 1989 klingt recht ähnlich, und dank itunes hatte ich das ganze am nächsten Tag am Computer.

Meine andere Schwester Sabrina spielt Querflöte, singt/sang in einigen Chören und besuchte einige Jahre ein Musikgymnasium. Sie ist also eine Musikerin. Sie hört falsche Töne, richtige Töne, kann Instrumente benennen, wenn sie eine Viertelsekunde zugehört hat; und zwar Instrumente, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass sie überhaupt schon erfunden worden sind.

Jedenfalls verzieht sie bei einigen CDs das Gesicht, weil eine Gitarre oder eine Stimme den Ton nicht trifft. Mich zu beeindrucken ist nicht weiter schwer, aber ihr zu gefallen, schaffen nicht alle.

Mir ist beim ersten Mal LesMis anschauen nur Javerts (also Erwin Windeggers) Stimme aufgefallen. Wow. Damit war Sabrina soweit einverstanden. Erst als Jean Valjean (folglich Daniel Prohaska) „Bringt ihn heim“ auf der Barrikade singt, zogen sich ihre Augenbrauen hinauf und sie drehte sich verblüfft zu mir um. Wie hoch kann ein Mann singen? Natürlich hat Sabrina trotz ihres Erstaunens ihren Humor nicht verloren: sie winkte mich zu sich und flüsterte in mein Ohr: „So hoch kommst nicht rauf, hmmm?“ Nein, natürlich nicht. Meine Güte, kann der Typ singen!

Cosette (Martina Dorothea Rumpf) mit ihrer gellenden Opernstimme fiel uns seltsamerweise nicht weiter auf. Viel Lob hatte sie aber auch wieder für Enjolras (Otto Jaus) übrig.

Marius (Jesper Tydén) und Eponine (Ina Trabesinger) sind einfach da und brav, ähnlich wie Cosette: großartige Stimmen, ja, aber sonst einfach nicht auffallend.

Die komischste Figur auf der Bühne, war wieder einmal Dagmar Hellberg, die, wie auch schon in der Dreigroschenoper, die Lacher auf ihrer Seite hatte, trotz (gerade weil) die Figur (diesmal die Madame Thénardier) einfach königlich witzig ist.

Am beeindrucktesten sind am ganzen Stück die Massenszenen. Während man bei „Leichte Mädels“ leicht geschockt nicht weiß, wo man zuerst hinsehen soll und man bei „Ich bin Herr im Haus“ ständig lachen muss, hat man bei „Morgen schon“ den Drang aufzustehen, und alle zur Revolution aufzurufen.

Die Zeile „Zu lieben einen Menschen heißt das Antlitz Gottes sehn“ gibt einem dann einen Hoffnungsschimmer, den man nach den ganzen Toten eigentlich nicht zu spüren gewagt hätte. Alles in allem, wundervoll!

Der Vorteil, wenn man ein Stück öfter sieht, ist, dass man Unterschiede erkennt. Zum Beispiel ging Gavroche einmal der Text aus und es sang nur noch lalala. Was auch beachtenswert ist, wenn man bedenkt, dass die Gedanken dann ja eigentlich nur von „Scheiße, Text?!“ beherrscht werden.  Übergangsloses LaLaLa ist also nicht ganz ohne. Man kann nur hoffen, dass im Café nicht wieder ein Stuhl umfällt, auf den jemand draufsteigen soll.

Meine Lieblingslieder hab ich wieder eingetextet:

Rot und Schwarz  : http://patriciaradda.wordpress.com/2009/07/24/lyrics-deutsch-rot-und-schwarz-aus-les-miserables/

Schaut her: http://patriciaradda.wordpress.com/2009/07/24/lyrics-deutsch-schaut-her-aus-les-miserables/ 

Das Lied des Volkes : http://patriciaradda.wordpress.com/2009/07/24/lyrics-deutschdas-lied-des-volkes-aus-les-miserables/

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„Die Flut“ von Patricia Radda

Mach dir keine Sorgen, alles ist gut

Warte auf Morgen, friss deine Wut

Ohne genau Denken, ohne deinen Mut

Lass dich einfach lenken, trockne dein Blut

Lass es einfach zu, stocher nie in der Glut

Sei einfach nie du, bis sie über dich kommt, die Flut

Die Flut an Hass, die Flut an Ärger und Rachelust

Die Flut an Zweifel, an Gewissen, dass du etwas tun musst

Das Wissen, dass du brennst, wenn du nichts mehr sagst

Das Wissen, wenn du rennst, du noch immer daran nagst

Denk genau mit, und dann vergiss auf die Rache

Sieh genau hin, und verstehe was ich mache

Pass genau auf, und versuche die Sache

Wenn die anderen schreien, sieh zu wie ich lache

Wenn die anderen staunen, sieh zu wie ich erwache

Wenn die anderen fragen, sieh zu was ich entfache

Ich entfache die Flut

Die Flut an Hass, die Flut an Ärger und an der Last

Wird zu einer Flut an Zweifel, sieh was du getan hast

Wird zu Gewissen, wird zu denken, wird zu begreifen

Während die Gedanken sich wenden und abschweifen,

beginnen die anderen vielleicht zu verstehen,

vielleicht sich zu drehen

Mach dir nichts vor, eigentlich ist alles noch viel schlimmer

Ich seh es ein, aber was bringt es, wenn ich wimmer

Wie lange kämpfst du, kannst du es immer?

Nicht mehr lange, und dann schaffe ich es nimmer

Aber wenn du weiter machst, bleibt der Schimmer

Der Hoffnungsschimmer

Die Flut an Hass, die Flut an Ärger und an Rachelust

Verschwindet weiter, wenn du nicht mehr weißt, was du tun musst

Es bleibt die Hoffnung, dass auch nur ein einziger stärker ist,

dass nur einer nicht diese Kraft vergisst,

dann geht es weiter

© 2009 Patricia Radda

„Ihr geht´s jetzt schlechter“ von Patricia Radda

Rauch steigt auf

sie hustet schwer

und keucht nach frischer Luft

sie lässt sich niedersinken,

weiß, sie ist nicht stark genug

und kämpft um jedes Jahr.

So jung muss sie sich schon Gedanken machen

über Viren und Bakterien

über Vermehrung der Falschen

über Hunger und Durst.

Die Narben auf ihrer Haut werden tiefer

sie kann den Schmutz darin fühlen

und wie er sie durchdringt.

Sie hat das Gefühl zu fallen

und will das auch

sie will liegen bleiben

ohne zu kämpfen

Aber zu Vieles würde mit ihr untergehen

Ihre Seele ist noch nicht erledigt

auch wenn es manchmal so aussieht

solange ihr Körper die Kraft hat

sich weiterzudrehen

wird sie weiterleben

Wie viele müssen sterben wenn sie dann

aufgibt

Die Einzigartigkeit der Beamten und die überflüssige Bürokratie

Vorgeschichte:

Mein Bruder macht seit 1. April Zivildienst beim Roten Kreuz. Er wurde zum Rettungssanitäter ausgebildet, war also ein Monat lang in Velden zur Theorie. Die Praxis dann tatsächlich im Krankenwagen mitzufahren und von seinen Fahrern beurteilt zu werden, gefiel ihm dann weniger. Irgendetwas muss da noch passiert sein, etwas, das ich wohl nicht erfahren werde, ihn aber zur Weißglut getrieben hat. Jedenfalls redet er ja nie mit uns über seine Probleme. Er wird krank. Nachdem er dann zweimal zusammengebrochen ist, hat unser Hausarzt gesagt, er muss was ändern, und er musste dann zu einem Psychologen. Er war genau zwei Wochen krank geschrieben, dann hat er sich Gesund gemeldet und weitergearbeitet.

  1. Ich dachte, Psychologen haben eine Schweigepflicht.

Der Psychologe hätte dem Chef ja nur sagen müssen, ob mein Bruder für den Dienst geeignet ist oder nicht. Wenn nicht, hätte er woanders hin müssen. Der Psychologe hat meinen Bruder aber dazu gebracht, es noch einmal versuchen zu wollen. Nach dem Gespräch mit meinem Bruder hätte der Psychologe ja einfach dem Chef sagen können, das er geeignet ist und aus. Das wäre es gewesen. Wie jetzt aus einem Gespräch zwischen meinem Bruder und seinem Vorgesetzten hervor ging hat der Psychologe dem Chef auch erzählt, dass mein Bruder schon mal eine Lehre abgebrochen hat. Woraufhin der Chef ohne Rücksprache mit irgendwem angenommen hat, dass mein Bruder das sowieso nicht hinbekommt. Nur mal so am Rande: Mein Bruder hatte am Anfang seiner Lehre einen tollen Chef, der hat ihn jeden Tag zur Seite genommen und etwas Neues gelehrt. Dann kam ein neuer Chef und mein Bruder durfte Essen einpacken, während der Chef im Hinterzimmer geraucht und gesoffen hat. Das war nicht die Vorstellung einer sowieso schlecht bezahlten Kochlehre, und da hat er gekündigt.

Aber das weiß sein jetziger Chef nicht, das hat der plaudernde Psycho ja vergessen zu erwähnen. Es lebe die ärztliche Schweigepflicht.

2. Ich dachte, wenn sich jemand Gesund meldet, dann ist er nicht mehr im Krankenstand.

Jedenfalls hat mein Bruder eben weitergearbeitet. Und nach zwei Wochen sagt seine Theorielehrerin zu ihm, sie habe gehört, dass gegen ihn ein Rückstellungsverfahren eingeleitet wurde, ob eh alles okay sei. Es dauerte ein paar Tage, bis mein Bruder einen Termin bei seinem Oberchef bekam. Er kam ins Büro und wurde mit den Worten: „Sie sind ja im Krankenstand.“ begrüßt.

Ich mein, wie blöd muss man sein?!?!?

Der untere Chef hat anscheinend vergessen, die Gesundmeldung weiterzugeben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Jedenfalls dachte der obere Chef, mein Bruder kann/will/wasauchimmer nicht mehr und hat dieses Verfahren beantragt. Als mein Bruder sagte, er hatte gedacht, es sei alles in Ordnung und er arbeite seit zwei Wochen sowieso wieder normal, sagte der obere Chef man könne das Verfahren ganz leicht stoppen.

3. Ich dachte, wenn ein Verfahren gestoppt wird, dann ist alles okay.

Am Mittwoch, 10.6. (jetzt wäre es gut einen Kalender bei der Hand zu haben), hat mein Bruder einen Brief bekommen, dass er, eben wegen diesem Verfahren, am Montag, 15.6., bei der Polizei erscheinen muss, da das seine neue Arbeitsstelle wäre. Er könne zwei Wochen lang Berufung einlegen.

Checkt ihr die Zeit? Am Mittwoch vor einem Donnerstagsfeiertag kommt ein Wisch, das er am Montag irgendwo sein müsse. Wo bleiben da zwei Wochen?!?

Jedenfalls müssen Chefs im Gegensatz zu meinem Bruder am Feiertag anscheinend nicht arbeiten. Am Freitag hat er dann einen Stellvertreter erreicht, der sagte, er dürfe nun nicht mehr für sie arbeiten, er solle aber dort und dort anrufen. Was er am Freitag auch noch versuchte. Aber die Einzigartigkeit der Beamten zeigte sich mal wieder daran, dass sie entweder a) vom Telefon klingeln nicht aufwachen oder b) jemanden rangehen lassen, der sich nicht auskennt oder c) der Verantwortliche immer auf Urlaub ist.

Wie wird das ausgehen? Ich weiß es nicht.

Wäre nett, wenn es dazu von Beamten Reaktionen geben würde. Aber… ach ja. Geht ja nicht.

„Die Dreigroschenoper“ im Stadttheater Klagenfurt

Dreigroschenoper

Einige mögen schon mitbekommen haben, dass ich immer alles zweimal mache. Mindestens. Ich lese Bücher mindestens zweimal, auch wenn sie mir nicht gefallen. Ich sehe Filme immer mindestens zweimal, weil ich erst dann entscheide, ob ich sie mag. Und ich gehe mir Theaterstücke, Musicals usw. immer zweimal ansehen, weil die, die ich mir selbst ansehen wollte, mir bis jetzt immer gefallen haben.

In der Vorhalle ist er mir schon aufgefallen. Ein Mann, groß, lange Haare, grauer Schlapphut, schmutziger, ewiglanger Mantel, Plastiksackerln. Ich denk mir dabei ja nie etwas. Ich warte immer ab. Aber während man auf die „Dreigroschenoper“ wartet, also eine Form von „The Beggar´s Opera“, sagt man wohl nichts dazu.

Als wir dann auf unseren Plätzen warteten, schlenderte der Kerl über die Bühne. Mein Grinsen mag es verraten haben: ich freu mich immer, wenn ich richtig rate. Die Bühne. Die Bühne ist diesmal keine Bühne, die Bühne ist ein grellbeleuchteter Laufsteg, der meinen Augen noch Probleme machen wird, ich weiß es jetzt schon. Aber das konnte ja niemand im Theater wissen. Vorhang gibt es nicht. Putzfrauen wischen über den Laufsteg, hin und her gehetzt von einer geschäftigen Person mit Klemmbrett. Auf der Seite Musiker. Kellner servieren Getränke, Gäste kommen. Gäste setzen sich, alle warten. Wir auch.

Wir wissen es noch nicht, aber wir haben auf Otto Jaus gewartet, den Moritatensänger. Grüner Anzug, weißes Gesicht, schwarzer Hut, rrrrollendes Rrrr. So ein Typ halt. Total hineingesteigert wie er ist, und verrrrrückt wie er klingt, mag ich ihn sofort. Hinter ihm, Models mit Waffen, Mackie Messer, über den er singt und der jetzt plötzlich aufsteht, war im (Bühnen)Publikum. Und so beginnt‘s.

Die Bettlerfabrik von Jonathan Peachum (Maximilian Hilbrand) ist mit Handy und Laptop ausgestattet. Während er seine Leute verstümmeln lässt, übersieht er, dass seine Tochter Polly (herausragend: Nadine Zeintl) mit dem Verbrecher Macheath (Boris Pfeifer), genannt Mackie Messer, durchgebrannt ist. Die Hochzeit der beiden im Pferdestall wird stellenweise etwas lang.

Nun setzt Pollys Vater natürlich alles daran, um Mackie an den Galgen zu liefern. Pollys Mutter Celia (dargestellt von der unglaublichen Dagmar Hellberg) geht das Ziel ohne Rücksicht auf Verluste im Bordell an: Sie bietet den Huren, allen voran Jenny (Patricia Nessy), Geld, wenn sie Mackie ausliefern. Jenny verrät Macheath und er landet im Gefängnis. Sein langer Freund Tiger Brown (verschwindend wenig zu sehen: Erwin Windegger), der Polizeichef ist, will ihn befreien, wird aber zu sehr unter Druck gesetzt.

Obwohl ihn Lucy, Tiger Browns Tochter, aus dem Gefängnis entkommen lässt, verraten die Huren Mackie schon wieder. Da der Typ einfach nicht dazulernen kann, gibt’s diesmal übrigens ein anderes Ende. Mackie wird nicht begnadigt, sondern mit der Giftspritze ins Jenseits befördert.

„Die Dreigroschenoper“, Regie Henry Mason, hab ich zum ersten Mal mit meiner Klasse am 24.April 2009, zum zweiten Mal am 20. Mai mit meinem Vater (sein Geburtstagsgeschenk) gesehen.

Wie immer liebe ich es, zwei Vorstellungen zu vergleichen, was diesmal damit begann, dass Otto Jaus, oben genannter Moritatensänger, sich das Bein gebrochen hatte, und deshalb im Rollstuhl, bzw. mit Krücken auftauchte. Bei den Verehrern fiel er ganz weg, und alleine ein Klavier wegtragen funktioniert auch recht schlecht, ansonsten war alles bedacht.

(29.8.09)

Meine Lieblingstexte noch mal verlinkt:

[Silence] is A Weapon von Blackfire

Ein Typ in einem Forum, in dem ich manchmal schreibe, hat mir gemailt, dass ich, seinen Beobachtungen nach, Alternative Alternative höre.

Das war jetzt kein Satz, den man verstehen muss, es geht aber darum, dass ich bei meiner Musik immer noch etwas dazu brauche. Bei Ska-P sind es die Trompeten, bei Guadalajara ist es das Saxophon. Die Ärzte sind verrückt und Flogging Molly klingt irisch, und dieser Typ – wie immer auch sein echter Name lautet – hat mir Blackfire empfohlen, und die klingen „indianisch“.

Blackfire, schon bei dem Namen hab ich aufgehorcht, und nach einem Blick auf meine Bücher fiel mir auf, dass das die Band ist, die Antje Babendererde immer wieder in ihren Büchern erwähnt.

Die CDs zu kaufen ist – über Amazon – natürlich ziemlich kostspielig. Aber über itunes gehts auch.

Die Website der Drei lautet www.blackfire.net, wo ihr auch mal reinhören könnt. Das Video zu „Overwhelming“ könnt ihr hier ansehen: http://www.youtube.com/watch?v=onWcHYTjiKg .

Für den Anfang werdet ihr wohl „Overwhelming“ mögen, aber wenn ihr euch daran gewöhnt habt, sind die „Possibilities“, „Silence“ und vor allem auch „NDN/Alien“ echt Gänsehaut-mäßig gut.

Die Band besteht aus:

Clayson Benally – Drums, traditional percussion and voice

Jeneda Benally – Bass, Voice

Klee Benally – Voice, guitar

Für mehr Information: http://de.wikipedia.org/wiki/Blackfire

CD:

[Silence] Is A Weapon

Disc 1:

  • 1. Epilogue
  • 2. The Possibilities
  • 3. Overwhelming
  • 4. Turn out the Lights
  • 5. [Silence] is a Weapon
  • 6. Peaks Song
  • 7. NDN/ Alien
  • 8. Context
  • 9. Common Ground
  • 10. The Power is out
  • 11. The Wars they wage
  • 12. How can we confess?
  • 13. Uprising

Disc 2:

Traditionelle Lieder

„Unsere Kinder“ von Patricia Radda

Unsere Kinder werden nicht mehr zu Musik tanzen

Sie weichen nur noch den Gewehrkugeln aus

Unsere Kinder werden nicht mehr singen

Sie schreien nur noch aus Angst

Unsere Kinder werden nicht mehr Klavier spielen lernen

sie hauen nur noch auf Computertasten ein

Deshalb singe ich jetzt

tanze ich jetzt

spiele ich jetzt am Klavier

damit dieses riesige dunkle Loch

mich nicht einfach verschlingt

Unsere Kinder werden nicht mehr lesen können

Sie bekommen von einer Maschine vorgelesen

Unsere Kinder werden nicht mehr schreiben lernen

Sie diktieren alles dem Computer

Unsere Kinder werden keine Geschichten mehr kennen

Sie haben niemanden der sich Zeit nimmt, um sie zu erzählen

Deshalb lese ich jetzt niemals laut

deshalb schreibe ich jetzt

und erfinde Geschichten

damit dieses riesige dunkle Loch

euch nicht einfach so verschlingt

Ich bei Axel Winkler, 13.3.2009

Axel Winkler, früher hieß er Holtz, ist ein Sprachheillehrer, der mit Jugendlichen und Kindern an einer Heimsonderschule für Erziehungshilfe arbeitet. Für uns, die ihn noch nie zuvor gesehen haben, war er einfach nur eine Überraschung, für die, die jetzt wissen, warum sie über ein Jahr auf ihn gewartet haben, ist er ein ziemliches Genie.
Wir, die wir ja lange auf Axel Winkler gewartet haben, und ihn am gestrigen Abend beim Vortrag schätzen gelernt haben, vertrauen ihm ja. Wir erwarten, nicht von ihm erschreckt, sondern höchstens zu Tatendrang und scharfem Nachdenken aufgefordert zu werden. Deshalb vermute ich, dass, als er auf dem Boden das Wort AAEFINST aufgelegt hatte und nachdem wir bald darauf kamen, dass es FANTASIE heißen musste, wir alle ziemlich dämlich drein geschaut haben, als er sagte: Zwanzig Wörter zu formen, geht, vierzig sind schon gut. Los.

Nehmt euch bitte so zehn Minuten Zeit und versucht, einige Worte zu formen. Die Regeln sind: Es dürfen alle Buchstaben verwendet werden, es dürfen auch welche weggelassen werden, aber außer dem „A“ (das ja zweimal vorhanden ist) darf jeder Buchstabe auch nur einmal im neuen Wort vorkommen.

Also gut, los. Es mag euch über meinen psychologischen Zustand vielleicht zu viel sagen, aber eines der ersten Worte, die ich gesehen habe, war SATAN.

Wie auch immer, wir machten weiter. Geniale Gedichte, die immer wieder Spaß machen, wenn man sie hört, sind die von Jandl. Ich habe gleich, als ich wieder zu Hause war, in dem Gedichtforum, in dem ich manchmal schreibe, ein Thema angelegt, Gedichte mit nur einem Vokal zu schreiben, ist nämlich nicht wirklich leicht. Versucht es doch einmal!

Mein „e“-Gedicht:

Der See
dem Hecht
sehr Recht
Reh steht
versteckt

Oje
Mensch her
Hecht geht
Reh geht

Reh rennt
Mensch rennt
Gewehr her
Reh weg
Wer fleht wegen Speck?

Zum Vergleich/ inspirieren lassen usw.:

ottos mops (von Ernst Jandl)

ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso

otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft

ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott

„Die Wahrheit übers Lügen“ von Farin Urlaub Racing Team

Langer Titel. Langer Interpret. Damit meine ich nicht nur FUs Körpergröße, sondern auch das der Chef jetzt kein Solokünstler mehr ist, sondern einfach das Racing Team als Band bestimmt hat.

Die Wahrheit übers Lügen Farin Urlaub Racing Team: Die Wahrheit übers Lügen

Der Sound ändert sich aber nicht. Farin wird nur agressiver. Und verrückter. Oder wie erklärt man sich sonst solche Stücke wie „Die Leiche“. Mein Lieblingslied übrigens. Das hätte mich mein Deutschlehrer mal als Gedicht interpretieren lassen sollen. Das wär was geworden! Wie krank muss man sein, dass einem eine solche Genialität einfällt?!?!

Der Normalsterbliche fragte sich dauernd: Wer oder was, zum Teufel, ist Gobi Todic?????

Und noch etwas: Seit kurzem hab ich einen Traum. Farin Urlaub hat sich hinten in mein Miniauto reingequetscht, singt die Leiche, lächelt und wenn das Lied zu Ende ist, dreht er mir grinsend den Hals um. Besorgt?

Tracks:

Großes Album

1.Nichimgriff

2. Unscharf

3. Gobi Todic

4. Seltsam

5. Krieg

6. Pakistan

7. Niemals

8. Die Leiche

9. Monster

10.Atem

11.Karten

Kleines Album

1. I.F.D.G.

2. Zu heiß

3.Insel

4. Trotzdem

Besetzung:

Annette: Gesang und Percussion

Celina: Gesang und Percussion

Cindia: Bass und Harmoniegesang

Farin: Gitarre, Gesang, Chef

Fischi: Saxophon

Hardy: Trompete

Nessie: Gitarre (und Teufelsanbetung)

Quitte: Saxophon

Rachel: Schlagzeug

Rob: Posaune

Simone: Gesang und Percussion

Vanessa: Gesang und Percussion

„Es“ von Patricia Radda

Es

 
2001. Er berührt mich mit der Hand. Ein heißer Schauer läuft mir über den Rücken. Ich habe eines meiner weiten Lieblings-T- Shirts an, eine Gänsehaut überzieht plötzlich meine Unterarme und meine Hände sind eiskalt. Meine Lippen sind ganz trocken und ich kann ihn nicht ansehen. Ich spüre seinen Atem nahe bei meinem Gesicht- so nahe mag ich ihn nicht bei mir haben.
Ich starre weiter auf mein Englischvokabelheft, das ich ihm vorbeigebracht habe.
Er streichelt meine Wange, und ich denke an Simmy. Der war so anders. So einfach und niemals fordernd.
Daniel beugt sich zu mir vor und küsst mich auf meine trockenen Lippen. Seine Zunge tastet sich vor, sie ist unangenehm, irgendwie zu groß und zu nass und zu nahe, viel zu nahe an meiner Zunge. Seine Zunge ist jetzt wirklich an meiner Zunge, aber sie macht nichts mehr. Sie liegt einfach nur auf meiner Zunge drauf und ich denke mir: Okay, das ist also küssen. Wie eklig. Er hat das wohl noch nicht oft gemacht. Ich bin elf Jahre alt, ich bin noch nie geküsst worden. Aber gut, es ist kein Verlust, so etwas nicht kennen zu lernen.
Ich bin froh, als er wieder aufhört und Luft holt. Aber es ist noch nicht vorbei.
Er legt seine Hände auf meine Schultern und dreht mich zu sich. „Ich gehe jetzt besser.“, flüstere ich. „Des haßt: I geh hiezan bessa.“, flüstert er zurück und packt mich fester bei den Schultern. „Du gehst nit.“
„Aber…“
Ich seinen Augen sehe ich etwas, was ich noch nie gesehen habe. Er ist so ernst und drohend. Er küsst mich noch mal, schließt seine unheimlichen Augen dabei. Seine Hände gleiten unter mein T-Shirt, ich habe keinen BH an, obwohl ich zwei Stück besitze, einen schwarzen und einen weißen.
„Hör auf!“, ich schrecke empört/verstört zurück und stoße seine Hände von meinem Busen weg.
„Nein!“, schreit er mich an. „Ich höre nicht auf. Aber du bist leise! Halt die Klappe!“
Er zieht mir die Hose aus, und sich selbst auch. Ich stand halbnackt vor ihm und hab mich nicht gewehrt. Mir rannen die Tränen hinunter und ich dachte immer wieder: „Nein, nein, nein!“
Seine Hände griffen nach mir, er fuhr über meinen Bauch und meinen Hintern und plötzlich wusste ich, wie falsch es war, alles was er tat, war so falsch!
Ich stieß seine Hände weg, er schlug mich mitten ins Gesicht.
Fassungslos blieb ich stehen, da presste er mich an sich und ich fühlte seinen Penis.
Ich erschrak fürchterlich, so wie wenn man mit verbundenen Augen irgendwo hineingreift und etwas vollkommen Grausiges fühlt, eine klebrige Gummispinne oder diesen quietschgrünen Schleim.
Ich schrie also erschrocken auf, schlug um mich und stieß ihn so fest wie möglich von mir weg. Ich bückte mich nach meiner dünnen Stoffhose, doch er war schneller und warf sie aus dem Fenster. Er drückte mich auf sein Bett und trommelte mit den Fäusten auf meinen Bauch und meine Beine. Ich weinte verkrampft und flehend, stieß ihn immer wieder weg. Mein ganzer Körper tat weh und ich wusste, dass er nicht aufhören würde, mich zu schlagen, bis ich tot oder er zufrieden wäre. Ich ramme mit voller Wucht mein Bein in seinen Bauch. Er taumelt ein paar Schritte zurück, knallt mit dem Kopf gegen seinen Kleiderkasten. Ich schlüpfe in meine Unterhose und springe aus dem Fenster. Gott sei Dank ist das Haus in einen Hügel gebaut und das Fenster des Erdgeschosses ist höchstens einen Meter über dem Boden. Ich ziehe schnell meine Hose an und renne weg. Lange kann ich nicht rennen, schon bei der Ortstafel, ca. 300m weiter, wollen meine Beine nicht mehr. Für den Weg, für den man normalerweise eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten braucht, nehme ich mir heute eine dreiviertel Stunde Zeit. Ich komme nach Hause, lege mich ins Bett und weine. Meinen Eltern und meinen Geschwistern fällt es nicht auf.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich von der Schule nach Hause komme und weine.
 
2005. Ich stehe beim Busbahnhof, der Bus hat wieder einmal Verspätung. Immer, wenn es regnet. Ich höre ein komisches Geräusch, schaue hin und drehe mich angeekelt wieder weg. Der Obdachlose, der hier immer herumhängt, uriniert keine zwei Meter weit weg von mir. Ich sehe also in die andere Richtung. Mein ganzer Körper scheint zu zittern, als ich ihn sehe. Oder war es nur eine Einbildung? Daniel steht da drüben, bei der Trafik und holt sich Zigaretten aus dem Automaten. Ich starre hin. Jahrelang habe ich nichts von ihm gehört. Ich bin zu meiner Omi zurück nach Wien gezogen, bald nach der Geschichte damals, ich habe zwar niemandem davon erzählt, aber alles schien besser zu werden. Doch, ist eindeutig er. Mein Exfreund kommt um die Ecke, noch nie war ich so froh, ihn zu sehen. „Kennst du schon die neue CD von La vela puerca?“, frage ich ihn. Er bleibt verwirrt stehen, nickt dann. Merkt trotz dem hohen Trottelgehalt in seinem Hirn, dass ich panisch bin. „Was ist los?“, fragt er. Es interessiert ihn nicht, denke ich, erzähle es ihm aber trotzdem. Er kennt die Geschichte schon, halb. Es gibt Gerüchte. Der Bus kommt, ich sehe wie Daniel einsteigt, ich drehe mich um, gehe in die Bibliothek. Sehe, wie mein Exfreund in den anderen Bus einsteigt. Denke, Scheiße, jetzt muss ich wieder eineinhalb Stunden warten. Die Bibliothek schließt um vier, also stelle ich mich wieder in den Regen. Es ist warm, es macht nichts. „Versteckst di vor mia?“, höre ich eine Stimme. Scheiße. „Lass mich in Ruhe.“ Er grinst, er stinkt nach Zigaretten und er grinst, als wäre er der Sieger. „Des haßt: Loss mi in da Rua. Lern redn, Scheiß-Wienerin.“ Ich spüre, wie mir Tränen die Augen ganz heiß werden lassen, drehe mich weg. Darauf hat er gewartet. Er packt mich am Arm, drängt mich, weiter zu gehen, immer weiter. Unter dem Dach zückt er ein Messer und drückt mich gegen die Wand. Was soll ich tun? Lass mich los, geh weg. Ich starre auf einen Fleck, an einer Stelle des Hauses ist der Verputz abgebröckelt. Tränen rinnen mein Gesicht hinunter. Er hält mein Kinn zwischen seinen Fingern.  „Lass sie los, du arme Sau.“, sagt eine Stimme von rechts. Ich bewege mich nicht, nur die Augen. Das ist dieser Typ aus meiner Klasse, über zwei Meter groß, ich habe noch keine zwei Worte mit ihm gesprochen. Daniel lässt mich los, ich renne.
 
2007. Es ist komisch, hier zu gehen. Es ist komisch, überhaupt daran zu denken. Und jetzt geh ich zu ihm. Es ist verrückt. Ich möchte weg von hier. Ich denke
         Wenn ich eine Weile ganz leise gehe, und mich dann umdrehe und zurückgehe, dann merkts vielleicht niemand.
 
Doch die Ärztin bleibt schon stehen. Sie hat Mitleid im Gesicht. Schlecht überspielten Hochmut auch. Mitleid ist unangebracht. Sie sagt
Tja. Es tut mir leid. Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Aber er hat fast nicht gelitten, es ging relativ schnell.
Ich schweige. Seine Mutter neben mir, sie schweigt auch. Also öffnet die Ärztin die Tür. Zu seinem Zimmer. Ich denke
         Da liegt eine Leiche drin, also lass doch um Himmels Willen die Tür zu!
 Mist. Er hat nicht gelitten. Er hat sich tatsächlich einfach aus dieser grausamen Welt weggeschafft. Er hat mich nicht mitgenommen.
 
Ich starre ihn an. Ich habe meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Ich fühle Schadenfreude. Neben mir sinkt seine Mutter zusammen. Ich erschrecke vor meinen Gedanken.
Würde ich um so einen Sohn weinen?
 
Mir wird kalt, die Temperatur hier drinnen ist nicht gerade warm. Ich sehe auf ihn herunter. Er hat aufgequollene Augen und ein blutverschmiertes Gesicht. An den Händen trocknet das Blut bereits.
Daniel, warum hast du nicht gelitten?
Daniel, warum hast du mich nicht mitgenommen?
Warum hast du dich einfach erstochen?
Das tut doch sauweh, oder?
 
Aber er gibt mir keine Antwort. So wie er mir nie geantwortet hat. Ich hasse ihn. Mit all meiner Kraft und Liebe. Ich wische der Mutter die Tränen mit meinem letzten frischen Taschentuch ab, sage
Alles wird wieder besser. Irgendwann.
Sie sieht mich an, nickt zuversichtlich, schnieft noch einmal und sagt
Danke, dass du gekommen bist. Versprich mir, dass du dich nicht umbringst, ja?
Ich verspreche es ihr, sie geht. Ich bin allein. Ich habe Angst. Als er noch lebte, wusste ich wovor ich Angst hatte. Jetzt weiß ich es nicht mehr. Ich gehe los. Richtung Eingang. Mia Elfe steht dort. Viel zu dünne Beine, und ewig lang sind sie auch. Sie ist eine gute Freundin von mir, also meine Einzige. Außer dem hat sie zwei Zentimeter lange Haare, die sie alle paar Monate anders färbt. Sie sieht gut aus und das weiß sie. Sie fragt
Na, geht’s?
Ich sage nichts. Sie fragt
Wars so schlimm?
Ich schüttle den Kopf. Sie sagt nichts, ich weiß, sie will, dass ich rede. Ich will nicht reden.
Ich geh zum Eingang. Wir wollen ja hinaus. Ein Mann kommt neben mir zu stehen. Er fragt
Du hast den Selbstmörder gekannt, oder?
Tut mir echt Leid.
Weißt du mehr darüber?
Ich weiß, es ist ein schlechter Zeitpunkt.
Journalisten dürfen nicht wählerisch sein.
Hier ist mein Ausweis.
Man muss es bei jedem probieren.
Er fuchtelt mit einem kleinen rechteckigen Ding vor meinen Augen herum. Wer soll denn da was erkennen? Von seinem ganzen Monolog kriege ich nur eines mit: Es tut ihm Leid. Ich stelle fest:
Sie wissen ja gar nichts.
Er nickt. Schaut mich fragend an. Er sagt:
Deshalb frag ich ja.
Ich starre ihn an. Mia Elfe legt die Arme um mich. Ich würde mich gerne fallen lassen. Aber wie sieht das denn aus?
Wenn es dir Leid tut, ist es deine Schuld. Dieses Arschloch hat mich vergewaltigt.
Okay? Weißt du was das heißt?
Ich hoffe die ganze Zeit,
er hat sich deshalb getötet.
Aus schlechtem Gewissen.
Aber so ein Typ hat kein
schlechtes Gewissen.
Er hat gar keines!
Mia Elfe bringt mich nach Hause. Sie fährt gleich weiter. Ich lege mich ins Bett und weine. Meinen Eltern und meinen Geschwistern fällt es nicht auf.
Es ist wird das letzte Mal sein, dass ich von der Schule nach Hause komme und weine. –  © Patricia Radda

Patricia Radda

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