Ich bin wieder ZUHAUSE! So sehr ich mich darüber auch freue, ich musste gleich den ganzen Tag wieder mit aufräumen verbringen, da ich die Wohnung ziemlich Hals über Kopf verlassen hatte.
Ich habe also wirklich zehn Stunden ausgemistet, Wäsche gewaschen, Mist runtergetragen und so weiter. Irgendwann habe ich Hunger bekommen. Leider haben meine Herdplatten eine seltsame Art mit Hitze umzugehen.
Was erwartet ihr von eurem Herd?
Ich finde es sehr uncool von meinem Herd, dass immer wenn die Herdplatten heiß werden, der FI fällt. Also kompletter Stromausfall in der ganzen Wohnung. Backrohr und Kühlschrank funktionieren immer einwandfrei, aber die Herdplatten! Ich erwarte von meinem Herd, dass er heiß werden kann. Das ist jetzt nicht so ungewöhnlich.
Also Nachricht an die Hausverwaltung. Aber ehrlich gesagt, kann es Wochen dauern, bis die sich mal zurückmelden. Also Essen bestellen.
Blöderweise funktioniert meine Tastatur nicht, weil die Akkus darin leer sind. Ich arbeite also mit Bildschirmtastatur. Warum nicht über Handy?, fragt ihr euch. Weil ich bei meinem PC schon angemeldet bin, das geht doch viel schneller und viel leichter…..
Alles hat funktioniert. Bis es zur Eingabe des PayPal-Passwortes kam. Also wirklich der letzte, der allerallerletzte Schritt.
Ich habe es nicht geschafft, meine Bildschirmtastatur dazu zu bringen, einen Großbuchstaben zu schreiben. Einfach nicht geschafft. WTF?!
Also doch noch mal das ganze am Handy. Und dann endlich, endlich essen.
Was kann man alles im Backrohr backen? Alles?
In den nächsten Wochen wird es also nur noch Backrohressen geben. Das ist ja nicht weiter schlimm. First World Problems. Aber nervig wird es schon. Gibt es irgendwas, was man nicht im Backrohr zubereiten kann? Suppe?
Viele Medien haben die (Selbst)isolation als Last beschrieben; etwas, das uns einschränkt und unser Leben auf „Pause“ stellt. Es gibt viele Artikel da draußen über Einsamkeit und den Einfluss auf die mentale Gesundheit. Letzteres ist ein riesiges Problem, und die Auswirkungen können wir noch nicht mal im Ansatz sehen – wie immer bei mentalen Ereignissen.
Was viele Medien aber nicht beschreiben, ist die riesige Erleichterung, die einige Leute – darunter auch ich – gespürt haben. Plötzlich mussten wir nicht mehr mit Menschen reden, mit denen wir nicht reden wollten. So viele unangenehme Dinge sind weggefallen. Hände schütteln, Küsschen-Küsschen, Smalltalk, alles war sehr eingeschränkt. Die Leute schauten sich nicht mehr ins Gesicht. Das heißt für mich, ich musste mich nicht mehr bemühen.
Ich bin ein Mensch, der es anderen Menschen meist leichter machen will. Unter Menschen zu sein ist für mich also immer wahnsinnig anstrengend. Ich versuche, die Menschen um mich herum zufrieden zu stellen und das ist eine undankbare, energiezehrende Riesenaufgabe, die niemals gelingen kann – aber trotzdem muss ich es versuchen. Solange, bis ich nicht mehr kann und mein Hass auf alle Idioten ungehindert an die Oberfläche kommt.
Ich versuche, die Menschen zu lesen, bevor sie überhaupt einen Wunsch äußern. Manchmal gelingt mir das gut, manchmal nicht. Darauf kommt es auch nicht an, Menschen sind für mich anstrengend.
Und jetzt gab es diese zwei, drei Monate, in der ich nicht Veranstalten durfte und auch nicht auf Veranstaltungen gehen durfte. Finanziell war das natürlich furchtbar. Aber für mich als Mensch war es unglaublich erleichternd. Ich durfte zuhause bleiben, ohne die Verantwortung mit anderen Menschen sprechen zu müssen. Ich durfte zuhause bleiben, und vor mich hin arbeiten, so wie ich gerade wollte! ES WAR UNGLAUBLICH SCHÖN!
Natürlich war ich an manchen Tagen schlecht drauf und manchmal war ich auch einsam. Menschen, die alleine leben, uns passiert das ab und zu. Aber ich war so dankbar und glücklich über all die Dinge, die unangenehm und jetzt nicht erlaubt waren. Ich freute mich, wenn ich das Haus verlassen musste! Das ist mir noch nie zuvor passiert. Natürlich freute ich mich manchmal auf bestimmte Veranstaltungen. Oder manche Leute zu sehen, das schon. Aber so richtig: Yeah, ich gehe jetzt raus! Das habe ich noch nie gespürt.
Mein natürlicher Zustand ist Zuhause sein.
Wenn du mich glücklich machen willst, dann lass mich zuhause bleiben!
Als die ersten Lockerungen begannen, war ich unsicher. Ich hatte Angst, dass jetzt wieder alles so anstrengend wird wie zuvor. Die Straßen waren wieder voller Leute, die Straßen stanken wieder nach Autos. Das Rausgehen war nicht mehr so schön wie vorher.
Und da beginnt auch schon mein Problem. Als ich jung war, war ich zu schüchtern, um zu grüßen, wenn ich einen Raum betrat. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass die Leute mich wahrnahmen. Ich habe so hart daran gearbeitet, einen halbwegs normalen Umgang mit Menschen zu haben. Tausend Babyschritte und ich war ganz gut im Rennen. Und jetzt? Muss ich wieder von vorne anfangen? Mit dem Unterschied, dass ich eigentlich gar nicht „normal“ sein will. Ich weiß, dass mir mein Leben insgesamt vermutlich leichter fallen würde, wenn ich mich anpasse. Aber das Anpassen ist soo unglaublich anstrengend und wer garantiert mir, dass es funktioniert?
Also wieder: Babysteps.
Als alle um mich herum, sich auf die ersten Auftritte freuten, war ich zurückhaltend. Ja, natürlich ist es schön, wenn man wieder auftreten kann. Aber brauch ich das jetzt? Nein. Brauch ich viele Menschen auf einem Haufen, die auf mich zustürmen und irgendwas von mir wissen wollen? Nein. Das Bewusstsein, dass ich es könnte – mich zusammenreißen – ist da. Ja, natürlich könnte ich es durchstehen. Ja, natürlich könnte ich mein Lächeln aufsetzen und alle Erwartungen erfüllen. Aber ich will nicht. Ich will gerade gar nicht.
Als ich angeboten bekam, irgendwo am Land auf ein Hostel aufzupassen, habe ich sofort ja gesagt. Es klang nach dem, was ich brauchte. Alleine. Viel Platz. Arbeit. Zeit. Manchmal Gäste, auf die man sich schon freuen kann, wenn man dazwischen ein paar Tage nur mit sich selbst geredet hat. Großartig. Genau das, was ich jetzt brauche. Es ist ein angenehmes Zwischenstadium.
Foto: Valerie Maltseva
Und jetzt die 1-Millionen-Euro-Frage: Bin ich einfach nur selbstsüchtig?
Bin ich nur den bequemen Weg gegangen und sollte mich einfach zusammenreißen? Müssen doch alle anderen auch?
Vor zwei Wochen habe ich mich selbst nach Hause begeben und gehe nur noch zum Einkaufen hinaus. Dass das in meiner kleinen Wohnung und mutterseelenallein manchmal kein Vergnügen ist, ist klar. Hier ist mein Output der letzten Wochen.
Am Samstag, 28. März 2020 wurde von Slam If You Can eine Online Session gestartet. Dieses Video war Teil davon, hier habt ihr es nochmal- mit Untertiteln.
Zuhause bleiben. Das ist für mich eigentlich keine schwere Aufgabe. Ich bin es gewöhnt, viel zu Hause zu bleiben, ich mache das freiwillig. Aber im Moment kommt halt der Zwang dazu. Nur noch zum Einkaufen das Haus zu verlassen, engt extrem ein. Besonders wenn man so eine kleine Wohnung hat wie ich, ohne Balkon oder sonstige Luftholmöglichkeit.
Spazieren gehen ist die Lösung.
Ich arbeite seit Jahren meist von zu Hause aus. Wenn man selbstständig ist, verschwimmt alles – alles wird Arbeit. Ich zähle Uni, Schreiben und Slam zu meiner Arbeit. Das heißt für den Blog recherchieren und arbeiten, auch Social Media oder Lesen kann Arbeit sein. Freizeit und Arbeit vermischt sich manchmal, man kann keine klaren Grenzen ziehen, meiner Meinung nach.
Routine
Für mich war es total wichtig, eine Routine zu finden, die für mich passt. Zuerst mal muss man sich klar werden:
Wie viel kann ich arbeiten und wie viel Freizeit brauche ich?
Es geht darum, dass du eine bestimmte Zeit hast, um bestimmte Dinge zu tun. Du schaffst dir einen Stundenplan, aber keinen täglichen Stundenplan, sondern einen Allgemeinen. Ich habe zum ersten Mal mitbekommen, wie viel Zeit ich eigentlich hätte. Ich sage immer wieder: „Ach, da fang ich jetzt gar nicht mehr an, ich hab ja nur noch eine halbe Stunde!“ Und dieses Aufschieben bewirkt, das ich täglich viel Zeit verschwende, weil ich sie nicht richtig verwende.
Mit dem Blocksystem überlegt man sich einen Rhythmus. Dinge, die man jeden Tag tun muss, oder auch nur manchmal und man teilt seinen Tag in Blöcke. Man teilt die Dinge, die man macht auf unterschiedliche Blöcke auf. Zum Beispiel startet, wahrscheinlich jede*r mit einem „Morgen-Block“ – Dinge, die du nach dem Aufstehen machst. Bei mir ist das Duschen. Früher habe ich jeden Tag ein kleines Workout in der Früh gemacht, aber das passt mir jetzt nicht mehr. Anziehen, Frühstück, das wars schon. Bei mir kommt nicht mehr in der Früh dazu. Der Wecker wird gestellt- um 10h beginnt mein Arbeitstag. Bis 12.30h habe ich Zeit für diesen ersten Arbeitsblock. Meist checke ich dann meine E-Mails, schreibe meine To-Do-Listen, starte in den Tag. Um 12.30h läutet wieder der Wecker – dann weiß ich: Ich muss Küche aufräumen und Essen kochen. Und so geht es weiter. Sehr oft passiert es, dass ich den ersten Arbeitsblock verlängere, weil ich um halb eins einfach noch keinen Hunger habe und weiß, dass ich nur schnell ein Brot esse, dann muss meine Mittagspause auch nicht so lange werden.
Ihr versteht, was ich meine: Das Blocksystem sieht vor, das was man sich vornimmt und in der Zeit nicht schafft, verschiebt sich auf den nächsten Tag. Du darfst dich nicht stressen und es im nächsten Block machen. Das ist das System. Aber ich hab das halt für mich angepasst. Mit dem Blocksystem hab ich gelernt, was ich will. Und wann ich es machen will.
Dazu musste ich erst überlegen, was mir wichtig ist – Wie ich meinen Arbeitstag gestalten will:
Ich habe für mich beschlossen, dass ich kein Wochenende brauch. Das bringt mich eher raus aus meinem Rhythmus, als dass es mir was bringt.
Ich will mindestens 6 Stunden pro Tag voll arbeiten. 6×7 ist 42 das heißt ich habe eine normale 40 stunden-Arbeitswoche. Rein theoretisch.
Ganz wichtig ist mir meine Mittagspause. Wegen meiner Augen bekomme ich oft Kopfschmerzen und um dem Vorzubeugen, leg ich mich mittags für eine halbe Stunde hin. Manchmal höre ich auch nur Hörbücher und bin wach- aber meine Augen sind zu und ruhen sich aus!
Stundenplan
Jedes Semester muss ich mein Blocksystem ein bisschen an meinen Unistundenplan anpassen- aber das ist im Moment ja wurscht! Auch bei Teamsitzungen oder anderen Besprechungen muss ich nicht körperlich anwesend sein, aber das wären Terminen, die den normalen Arbeitstag durcheinanderbringen würden. Dank dem Blocksystem kann das aber angepasst werden. Wenn ich einen Block auf den nächsten Tag verschieben muss, heißt das nicht, dass ich alle anderen Blöcke auch verschieben muss. Und wenn ich um 13h nachhause komme, weiß ich, dass ich noch die Mittagspause habe, um anzukommen, und dann um 15h wird wieder brav weitergearbeitet.
Tracking – Was mache ich tatsächlich?
Mein größtes Problem war, meine Tätigkeiten zu tracken. Wie viel mache ich wirklich- oder warum mache ich manchmal sowenig, warum ist der Tag schon wieder um- was hab ich in der Zeit eigentlich gemacht?
Ich habe lange versucht, das händisch aufzuschreiben, und bin nicht zufrieden gewesen. Weil viele Sachen die ich mache, kann man nicht nachweisen – es gibt kein eindeutiges Ergebnis. Wenn man drei Kapitel schreibt und dann zwei davon wieder löscht, heißt das ja nicht, dass man nur ein Kapitel geschrieben hat.
Die Lösung war die ganze Zeit vor meiner Nase. Ich nehme dazu jetzt den stinknormalen Kalender, der auf meinem Mac installiert war. Ich verwende meine Bullet Journal als Kalender, und hab einige Termine noch zusätzlich im Handy. Den Kalender am Computer hab ich bis jetzt gar nicht verwendet. Dabei ist er die Lösung! Ich kann in verschiedenen Farben planen und dann verschieben, was ich tatsächlich gemacht habe. Rot und blau ist Arbeit, grün und gelb ist Freizeit. Ich kann es mir einzeln anzeigen lassen, für einen Tag oder die ganze Woche. Wie ich will. Ich kann nachträglich Dinge streichen und hinzufügen oder eben zeitlich verschieben. Und kann alles so genau reinschreiben wie ich will.
Ich habe mein Blocksystem im Wesentlichen seit einem Jahr, ändere es aber alle paar Monate ab, wenn ich das Gefühl habe, irgendwas passt nicht mehr. Wenn du wissen willst, wie genau das aussieht, dann schau das dazupassende Video an.
Finde deinen eigenen Rhythmus!
Und es muss dein eigener Rhythmus sein. Es bringt nichts, sich zu Sachen zu zwingen, die nicht funktionieren. Natürlich muss man sich an Abläufe gewöhnen. Das heißt, wenn ihr was Neues ausprobiert: nicht nach einem Tag aufgeben. Einfach noch mal drüber nachdenken: Was genau passt für mich daran jetzt gar nicht und wie kann ich es verändern?
Wenn wir den Plan und die tatsächlich passierte Arbeit vergleichen, dann schaut das alles sehr anders aus. Aber das ist okay.
Der Plan ist ja nur ein Plan!!
Ich kann mich daran orientieren, bis ich was finde, was besser passt. Das man weiß, da ist eine Struktur, falls ich sie brauche. Wenn ich selbst gut zurecht komm, umso besser.
Und mit dem Tracken muss man ehrlich sein. Ehrlich mit sich selbst!! Und wenn dann da steht, dass ich den ganzen Tag im Bett herumgelegen bin, dann war da keine Motivation, und wenn ich das im Kalender seh, dann krieg ich ein schlechtes Gewissen- aber nicht zu sehr. Weil ich ganz genau weiß, dass da morgen wieder ein Tag beginnt, an dem ich ganz viel machen kann. Ich habe keinen Stress, ich hab einen Plan.
Viel Spaß bei eurem Stay at home office, was auch immer ihr macht!