Hast du deine Gebete gesprochen, mein Kind?


schutzengelSchlafengeh-Rituale.

Betet ihr? Darf man das noch fragen? Ist Religion privat? Und wenn man religiös ist, heißt das dann: dass man an Gott glaubt oder dass man in die Kirche geht oder das man jeden Tag betet oder was? Was heißt das?

Meine Eltern haben nie gesagt: „Zähne putzen, umziehen, beten, schlafen gehen!“ Dabei entwickelten sich während der Schlafengehzeit einige der wichtigsten Rituale unserer Kindheit. Es gab eine Zeit, in der wir jeden Abend baden gingen. Wahrscheinlich weil wir  immer draußen waren und immer schmutzig. Auf jeden Fall war die Reihenfolge baden gehen, Zähne putzen, Geschichte vorlesen, Schlafen gehen. Manchmal sang der Papa uns noch ein Schlaflied. Er singt gerne. Denn Kinder schlafen legen  war eindeutig Papas Verantwortung. Aufwecken übrigens auch.

Wenn jemand krank war, war das Einschlafen am schwersten. Und meine kleine Schwester war jahrelang krank. Also ist Papa Profi. Später, als wir älter wurden, haben wir selbst gelesen und Papa hat nur geschaut, dass wir irgendwann mal das Licht abdrehen. Als dann Die Ärzte in unser Leben traten, hörten wir uns vor dem Schlafengehen „Das Schlaflied“ an. Möglicherweise war das gemein von mir. Möglicherweise hatte meine kleine Schwester deshalb noch sehr lange sehr große Angst vor Monstern. Hm.

Manchmal, wenn unsere Eltern nicht da waren (Theater? Kino? Elternabend?), passte unsere Omi auf uns auf. Da gab es dann ein wenig Abwechslung. (Man sollte meinen, mit vier (oder drei oder fünf, je nach Jahr) Kindern ist der Abend immer spannend, aber Schlafengehen ist eine Routinehandlung, alle Eltern wissen das.) Omi betete mit uns. Sie war nicht streng oder sehr religiös oder so. Sie schaute eben drauf, dass Gott uns beschützte. Was ja nicht schaden kann. Sie schickt uns auch immer Schutzengel mit. Das ist auch praktisch.

Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt

Diese doch recht beunruhigende Zeile eines traditionellen Schlafliedes hat mich irgendwann gestört. Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber irgendwann hat es mich gerissen und ich dachte: „Wenn Gott will? Was, wenn er nicht will?“ Seitdem beschäftigen mich Begriffe wie Gott und Schicksal und die ganze „Der Mensch muss doch Entscheidungen treffen können“ (Filmtipp: Matrix 1&2)-Sache enorm.

Ich gehe einmal im Jahr in die Kirche. Ich glaube an Gott, aber ich bin überzeugt davon, dass wir ihm egal sind. Ich stelle mir Gott wie einen Künstler vor: Er hat die Welt geschaffen, die Evolution gestartet und teilweise weiß er jetzt nicht mehr, was er mit uns machen soll. Teilweise ist es ihm egal, weil er sich gerade in einer schöpferischen Krise befindet. Teilweise vergisst er einfach auf uns. An manchen Tagen beobachtet er uns und wartet ab. Und manchmal, ganz selten, verändert er etwas. Typisch Künstler halt.

In schlechten Zeiten betet man mehr. Da könnt ihr jeden fragen. „Ach, Gott, hilf!“ – ist schon ein Gebet. Meine Mutter hat in den letzten Jahren eine nette Angewohnheit entwickelt. Sie dankt. Jedes Mal, wenn wir uns auf der Terrasse in die Sonne setzen, sagt sie: „Mein Gott, gehts uns gut!“ Das finde ich besser. Auch wenn ich überzeugt bin, dass Gott uns nicht hören kann.

Allgemein ist es besser für den Gesundheitszustand, sich zu freuen als zu jammern. Österreicher sind zwar meistens schlecht im Freuen, aber strengt euch doch mal an! Diese eine halbe Stunde zwischen Mittagessen und Weiterarbeiten, kann man doch wirklich genießen. Natürlich kann man auch sündige Dinge denken wie: „Maah, wer räumt denn jetzt den Tisch ab?“ Aber man kann eben auch dasitzen und sich freuen, dass man endlich mal dasitzen und sich freuen kann.

Viele Leute, ich nenne sie gerne arbeitswütige Volltrottel, nehmen sich gar nicht die Zeit dazu. Freut euch! Ihr habt gerade was gegessen! Ihr lebt in einem Land, wo ihr nicht 15 Stunden am Stück arbeiten müsst! Also freut euch!

Na los!

Geht sofort raus und freut euch!

Aber ich seh schon: Ihr bleibt sitzen.

Weil es draußen regnet, stimmts?

Ihr Weicheier.

Nehmt eine Jacke und geht raus und freut euch!

Jetzt aber.

Na bitte.

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