„Tintenherz“ von Cornelia Funke

Tintenherz von Cornelia Funke

Inhalt:
Ist wohl ein Kinder- oder besser- ein Jugendbuch (eine Triologie), für die ich natürlich schon viel zu alt bin.

Im ersten Teil, „Tintenherz“, geht es um Folgendes.
Meggie lebt mit ihrem Vater Mo allein, dann taucht ein Fremder auf und sagt, er kennt Mo schon länger. Obwohl Mo Meggie bis jetzt immer alles erzählt hat, tut er plötzlich ganz geheimnisvoll. Der Fremde heißt Staubfinger und er hat einen Mader als Haustier. Sie „flüchten“ zu Meggies Tante Elinor, wobei Meggie keine Ahnung hat, wovor eigentlich. In der Nacht wird Mo entführt und ein Buch gestohlen. Meggie, Elinor und Staubfinger folgen den Entführern bis in Capricorns Dorf, wo sich herausstellt, dass Staubfinger ein Verräter ist. Aber wozu wollen die Entführer Mo?

Es stellt sich heraus, das Mo nur ein Buch vorzulesen braucht, und es schlüpfen Dinge aus den Seiten hervor. So sind Staubfinger, sein gehörnter Mader, Basta (ein Gefolgsmann), Capricorn und etliche andere Räuber zwischen den Seiten des Buches „Tintenherz“ hervorgeschlüpft. Allerdings muss jemand den Platz des Herausgeschlüpften Wesen einnehmen. Meggies Mutter und die beiden Katzen der Familie verschwanden dafür im Buch. Capricorn, der Räuberanführer, will das Mo ihm Schätze aus „der Schatzinsel“ und „1001 Nacht“ hervorliest. Doch aus 1001 Nacht schlüpft stattdessen ein Junge, Farid. Gemeinsam mit Staubfinger, dem Feuerspucker, gelingt ihnen die Flucht.

Elinor kann den Verfasser des Buches ausfindig machen. Mo will nämlich einen Weg finden, alle wieder dorthin zu schicken, wo sie hergekommen sind. Doch auch Fenoglio, der Schriftsteller hat keines von seinen Büchern mehr. Staubfinger beschließt mit Farid zurück ins Dorf zu gehen, um das letzte Buch zu stehlen. Meggie und Fenoglio werden von Basta gefunden und verschleppt.
Staubfinger überredet eine stumme Magd, dass sie das Buch im ganzen Haus sucht. Dabei wird sie aber von Basta und Mortola, Capricorns Mutter, endeckt und Staubfinger tappt in die Falle. Sie werden beide eingesperrt.
Meggie wird mit Fenoglio in ein Zimmer gesperrt. Darius, der Vorleser von Capricorn, hat hier einige Bücher versteckt. Meggie liest solange, bis es ihr gelingt, Tinkerbell aus Peter Pan hervorzulesen. Sie hat das Tlaent ihres Vater geerbt! Basta findet sofort heraus, das Meggie auch Herauslesen kann. Da Mo noch nicht gekommen ist, um Meggie zu befreien, soll Meggie nun Capricorns treusten Freund, den Schatten, herauslesen. Bei Capricorn werden auch Staubfinger und die stumme Magd Resa gefangen gehalten. Meggie glaubt sich errinnern zu können…
die Frau ist ihre Mutter, die der Vorleser Darius für Capricorn herausgelesen hat (Darius ist ein schlechter Vorleser: Resa verlor ihre Stimme, ein Räuber hat keine Nase mehr…).

Resa und Staubfinger sollen hingerichtet werden (vom Schatten). Meggie liest unter Mortolas Aufsicht den Zinnsoldaten aus Andersens Märchen hervor und behält ihn bei sich. Mo lässt Meggie eine Nachricht zukommmen über Gwin, den gehörnten Mader. Fenoglio überlistet Basta, und bekommt Papier zum Schreiben. Dann weckt er Meggie und sie liest ein neues Ende vom Zinnsoldaten, in das der Zinnsoldat zurückkehrt. Er kann also Leute zurückschreiben und die Geschichten verändern! Fenoglio will also ein Ende für Capricorn schreiben. Farid und Mo schleichen sich ins Dorf, werden allerdings erwischt. Elinor beschließt daraufhin, zur Polizei zu fahren und macht sich aus dem Staub.
Meggie wird auf ihren Wunsch hin zu Staubfinger und Resa in die Gruft hinunter gebracht. Nun ist sie sich sicher: Auch Resa hat in Meggie ihre Tochter erkannt. Basta lässt sich von Staubfinger hereinlegen und Staubfinger kann fliehen. Er will das Resa mitkommt, aber Resa lässt Meggie nicht allein.
Die Polizei scheint Elinor nicht zu glauben. Einer der Polizisten bietet ihr jedoch seine Hilfe an, doch nur um sie zurück zu Capricorn zu bringen, der ihn erpresst. Elinor wird in die Gruft gesperrt, wo sie nach neun Jahren wieder ihre Lieblingsnichte Teresa trifft.
Staubfinger versteckt sich währenddessen in Bastas Haus, weil er es nicht geschafft hat, aus dem Dorf zu kommen.
Mo und Farid schleichen sich zu Capricorns Haus, um dort Feuer zu legen (Farid hat von Staubfinger schon viel über das Feuer gelernt). Meggie wird schon hinunter gebracht, zu dem Platz, an dem die Hinrichtung stattfinden soll.
Zu Elinors Überraschung soll auch Basta mit ihnen dem Schatten ausgeliefert werden.
Am Abend gelingt Meggie alles, im Ärmel hat sie Fenoglios neues Ende versteckt, sie liest und kann Mortola, die Elster, sogar davon aufhalten, ihr das Buch aus den Händen zu reißen. Doch den letzten Satz bekommt sie nicht über die Lippen. Hinter ihr steht plötzlich Mo und tötet Capricorn mit bloßen Worten.
Später fällt auf, dass Fenoglio vom Buch verschlungen wurde, einige Feen und Glasmänner dafür aufgetaucht sind. Basta und Mortola können fliehen. Staubfinger, der alles aus der Entfernung mitangesehen hat, stiehlt Mo das Buch und Farid fleht ihn an, zusammen wegzugehen (was die beiden noch in der Nacht tun).
Meggie, Mo und Teresa fahren mit Elinor in deren Haus zurück.

Cornelia Funke verblüfft mich immer wieder mit ihrer fantasievollen Sprache. Die seltsamsten Geschichten kann sie ganz einfach vor meinem Auge entstehen lassen, wenn sie Worte verwendet, die man normalerweise nicht dafür verwenden würde.

Diese Geschichte, ist jedoch eine Geschichte, die die Bezeichnung Erzählung mehr als verdient, vielleicht wäre sogar „Märchen“ ein richtiges Wort. Märchen klingt nur so abwertend, was einfach nicht stimmt. Cornelia Funke holt die schlimmsten Romanfiguren aus den Büchern hervor und zwingt uns, uns zu fürchten, obwohl wir wissen, dass wir ja nur lesen.

Figuren wie Meggie, Mo und Elinor trösten mich immer, da sie mir bewusst machen, dass ich nicht die Einzige bin, die nach Büchern verrückt ist.

8 Punkte von 10

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„Wilde Hunde“ von Markus Zusak

Autor: MARKUS ZUSAK

Buch: Wilde Hunde

Originaltitel: Doppelband aus: Vorstadt-Fighter, When dogs cry
Originalverlag: cbj/Macmillan AUS
Übersetzt von Ulrich Plenzdorf, Alexandra Ernst

Ab 14 Jahren
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 368 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-570-13612-6
€ 14,95 [D] | € 15,40 [A]

Verlag: cbj

Erscheinungstermin: September 2008

wildehundecover „Wilde Hunde“ von Markus Zusak

Das Buch besteht aus zwei Romanen: „Ruben Wolfe“ und „Cameron Wolfe“

Das Buch Ruben Wolfe („Fighting Ruben Wolf“)

Die Brüder Cameron und Ruben Wolfe leben am Rand von Sydney. Ihr Vater ist seit Monaten arbeitslos, ihre Mutter arbeitet die ganze Zeit, die beiden älteren Geschwister haben ihre eigenen Probleme. Als ihre Schwester Sarah als Hure bezeichnet wird, schlägt Ruben zu. Der Typ steht danach nicht mehr so schnell auf- und Ruben wird gefragt, ob er nicht bei illigalen Boxkämpfen mitmachen will. Für 50 Dollar pro Sieg ist Ruben jede Woche dabei. Er gewinnt immer. Der jüngere Cameron kann einstecken und steht immer wieder auf: Das bringt keine Siege, aber Trinkgeld für seinen Mut. Die beiden Brüder verändern sich. Ruben wird härter, Cameron will nicht mehr verlieren, er will kein Verlierer sein. Sein letzter Kampf der Saison geht gegen seinen Bruder Ruben selbst.

Im zweiten Roman „Cameron Wolfe („When Dogs Cry“) wechselt Ruben seine Freundinnen extrem schnell, während Cameron nur eine liebt: Oktavia, die (Ex)Freundin von Ruben. Ruben findet das eigentlich okay, er hat längst eine neue Freundin. Keine gute Idee, denn deren Exfreund will ihn umbringen. Ruben wird von seinen Leuten ziemlich hart zusammengeschlagen. Da trägt Cameron, der ewige Versager, ihn den ganzen Weg zurück nach Hause.

Das ist das krasseste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe! Der Stil ist knapp, genau – einfach cool. Die Brüder denken wie eine Person und obwohl sich der jüngere Cameron oft sehr unsicher ist, lässt er sich von Ruben führen. Nur ihm kann er vertrauen und umgekehrt. Dass zwischen den Brüdern Rivalität herrscht, stimmt nicht ganz. Cameron möchte nur nicht gegen Ruben verlieren und Ruben will später nicht zugeben, dass es okay ist, wenn Cam nicht zu ihm aufschaut. Um Mädchen geht es so gut wie gar nicht- außer in Cams Fantasien. Er entwickelt sich und hat später sehr viel Respekt vor Frauen, die auch durch die tollen Mutter- und Schwesterfiguren beeinflusst werden. Seine Gespräche mit dem fiktiven Wolf sind toll. Es ist erstaunlich, wie man als Leser bemerkt, dass sich die Brüder verändern. Markus Zusak erfindet unglaubliche Worte um diese Geschichte temporeich und real zu halten.

„Asphalt Tribe“ von Morton Rhue

Autor: Morton Rhue
Taschenbuch
Ravensburger Verlag
Gekauft: bei Thalia um 6,20 €
ISBN-13: 978-3-473-58212-9
ISBN-10: 3-473-58212-3
Cover Asphalt Tribe Cover Asphalt Tribe 

„Asphalt Tribe- Kinder der Straße“, ein Roman von Morton Rhue, handelt von einer Gruppe Jugendlicher, die auf den Straßen New York ums Überleben kämpft. Die Ich-Erzählerin, und somit die Hauptfigur, ist die 15jährige Maybe.

Die Gruppe „Asphalt Tribe“ besteht aus: der drogenabhängigen Rainbow, dem Anarchisten Maggot, OG mit seinem Hund Pest, 2Moro, Jewel und Tears. Die Erzählung beginnt am Silvesterabend. Am nächsten Morgen finden sie OGs besten Freund Country Club tot in einer kleinen Gasse. OG verbittert daraufhin und wird schwer krank ins Krankenhaus gebracht. Maybe erzählt vom harten Alltag, vom dealen, betteln, sich in Clubs schmuggeln, nur um nicht draußen sein zu müssen und wie sie auf den Strich gehen. Zunächst haben sie in einem leerstehenden, baufälligen Haus noch einen Unterschlupf, doch als es geräumt wird, leben sie unter einer Brücke. Durch Zufall lernt Maybe den Bibliothekar Anthony kennen, der ihr einfach so ihre Hilfe anbietet und ihr die Augen öffnet. Sie begreift, dass das Leben auf der Straße nichts mit Freiheit zu tun hat. Rainbow bricht aus der Entzugsanstalt aus und begeht Selbstmord. Maggot, der den „Asphalt Tribe“ überhaupt erst zusammen gebracht hat, wird eines Tages von seinen reichen Eltern abgeholt, um wieder in ein „normales“ Leben geführt zu werden. Jewel, der Transvestit, wird geistesgestört, als seine „Zwillingsschwester“ 2Moro erdrosselt aufgefunden wird. Mit Anthonys Hilfe macht Maybe, die übrigens Jesse heißt, die Großeltern von Tears ausfindig. Tears zieht zu ihren Großeltern und Maybe beschließt, vielleicht doch ins Jugendheim zu gehen.

Sehr echt, sehr nah, extrem bedrückend. Einzelne Dinge sind recht eklig beschrieben, aber genau so schreibt Morton Rhue. Die Realität. Maybe ist eine sehr sympathische Protagonistin, die einzige, die einem normal vorkommt; sie führt durch die Geschichte. Die Kids, die auf der Straße sterben, haben einen genauen Lebenslauf bekommen. Was alles passieren muss, bis ein Kind abhaut sollte den Erwachsenen zu denken geben. Allerdings ist es ein Jugendbuch, das wiedereinmal viel zu wenig Erwachsene lesen werden.

„Maybe“ von Brent Runyon

Das letzte Buch, das ich gelesen habe, folglich hab ich es noch im Sinn.

Maybe von Brent Runyon Maybe von Brent Runyon

Es geht um Brian, dessen Bruder bei einem Autounfall gestorben ist. Er zieht mit seinen Eltern um und kommt in eine neue High School. Zuerst freundet er sich mit Ashley an, aber sie kifft und er will nicht. Brian nimmt als Wahlfach Chor, weil sein Bruder Werken hatte. Dann lernt er den Anführer der Theatergruppe, Dan, kennen. Schließlich macht Brian bei der Theatergruppe mit. Sie üben ein Stück, bei dem viele Gehörlose spielen und alle die Gebärdensprache können müssen. Brian kommt mit Monica zusammen, er will mit ihr schlafen, aber sie weist ihn immer wieder ab, schließlich macht er Schluss. Er bemerkt das Dan seine Freundin Amy betrügt. Nach der Aufführung des Theaterstückes bekommt Amy alles raus und schläft schließlich mit Brian. Dann fragt sie ihn nach seinem Bruder, doch nachdem er ihr alles erzählt hat, sagt sie ihm, dass sie noch immer in Dan verliebt ist. Er ist wütend und einsam. Doch in dem Moment bemerkt ihn sein Vater und fängt ihn wieder ein bisschen auf. NAch einem Auftritt mit dem Chor, kommt Brian mit Katya ins Gespräch, die im ganzen Chor am besten singen kann. Sie gehen zum Italiener essen und danach an den Strand, wo sie sich die Sterne ansehen und schließlich nackt baden. Sie bleiben vor Katyas Haus im Auto sitzen und schlafen ein, bis zum Morgen. Brian fährt mit dem Auto durch die Gegend und redet mit seinem Bruder, weil er dessen Anwesenheit spürt. Plötzlich schreit er seinen Bruder an und verlangt zu erfahren, ob es Selbstmord war. Schließlich besucht er zum ersten Mal das Grab seines Bruders. Er legt sich ins Gras und spürt alles.

Witzigerweise hat mir dieses Buch tatsächlich gefallen. Dieses ganze „Wer schläft mit wem?“ sollte mir mittlerweile ja egal sein, schließlich bin ich keine 14 mehr… Aber es ist immer nett kleine Jungs über Sex denken zu „hören“. Erstaunlich dass man so sexfixiert sein kann und darüber wirklich ein ganzes Buch schreibt. Vermutlich sogar noch ohne rot zu werden. Bewunderswert. Ich fühlte mich in vielen Szenen an „The perk of being an wallflower“ (weiß irgendwer den deutschen Titel- habs nur auf englisch gelesen) erinnert, nach dem Motto: Sex, Drugs und noch viel mehr Sex, nur diesmal leider ohne Rocky Horror Picture Show, na ja man kann nicht alles haben. Ansonsten: leicht zu lesen, schnelle Kost.

Maybe, Brent Runyon: Carlsen Verlag, 207 Seiten, bei Thalia € 13,40

„Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann

“Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann

Der Bahnwärter Thiel heiratet nach dem Tod seiner ersten Frau Minna, die gesundheitlich kräftigere Lene. Bald weiß jeder, dass Thiel unter Lenes Fuchtel steht, er wird deswegen verspottet. Thiel schottet sich gegen die Außenwelt ab, er erträgt alles mit Gleichgültigkeit. Anfangs widerspricht er Lene noch, wenn es um seinen Sohn aus erster Ehe, Tobias, geht. Doch auch das wird immer seltener. Thiel, der noch immer seine erste Frau liebt, aber von Lene abhängig wird, verbringt die Zeit in seinem Wärterhäuschen damit, an die Verstorbene zu denken. Einmal bildet er sich ein, Minna zu sehen, glaubt aber nicht daran. Tobias entwickelt sich sehr langsam, ist also zurückgeblieben. Er zeigt seinem Vater, das er ihn liebt, und Thiel versucht, diese Liebe zu erwidern.

Lene dagegen beginnt Tobias regelrecht zu hassen, was besonders deutlich wird, als sie einen eigenen Sohn gebiert. Eines Tages bemerkt Thiel, dass Tobias von Lene geschlagen wird. Wohl um Lene von Tobias fern zu halten, bietet er ihr einen neuen Kartoffelacker, ganz in der Nähe seines Häuschens an. Thiel spielt, wenn er Nachtdienst hat, manchmal mit Tobias und den anderen Kindern aus dem Dorf. Darüber regen sich die Leute wieder auf, aber immerhin sind die Kinder bei ihm gut aufgehoben. Als Thiel einmal wieder zum Dienst geht, vergisst er sein Brot, dreht er mit einem unguten Gefühl um, und bekommt mit, wie Lene Tobias anschreit und ihn niedermacht. Doch Thiel hat nicht die Kraft, irgendetwas zu erwidern und so muss der heulende Tobias mit ansehen, wie sein Vater einfach wieder zur Türe hinaus geht, ohne einen Kommentar. Als Thiel den neuen Acker umgräbt, fällt ihm ein, dass Lene ja sehr oft zu ihm kommen würde, um den Acker zu bestellen.

Immer wieder stellt er sich Minna vor. Lene kommt, um den Acker anzusehen. Thiel nimmt Tobias bei seinem Rundgang mit, obwohl Lene dagegen ist. Am Nachmittag kann Thiel sich aber nicht mehr gegen Lenes Wunsch wehren. Sie nimmt Tobias mit, der auf den kleinen Sohn aufpassen soll. Einem Gefühl folgend, schreit Thiel ihr noch nach, dass sie aufpassen soll, Tobias geht gerne in die Nähe der Schienen. Lene zuckt darauf nur mit den Schultern. Thiel merkt erst, was geschehen ist, als der Zug mit quietschenden Bremsen an hält. Tobias wurde vom Zug erfasst. Lene steht unter Schock. Alle kümmern sich um sie und Tobias.

Thiel bleibt in seinem Häuschen. Dann kommt der Zug mit Tobias zurück, er sollte ins Krankenhaus gebracht werden. Als er erfährt, dass Tobias tot ist, wird Thiel wahnsinnig. Er redet mit seiner verstorbenen Frau. Dann wird er ohnmächtig. Lene pflegt den Kranken mit schlechtem Gewissen. Später finden sie Lene und ihr Kind mit durchtrennter Kehle vor. Am nächsten Morgen fand man den Bahnwärter Thiel an der Stelle sitzen, an der Tobias überfahren wurde. Er hält die braune Mütze von Tobias in der Hand.

Thiel kommt ins Untersuchungsgefängnis, wird am ersten Tag schon in die Irrenanstalt überführt.

Der Bahnwärter Thiel ist die Hauptfigur. Man liest seine Gedanken, versteht seinen Geisteszustand und lebt mit ihm mit. Weil er seine erste Frau sehr geliebt hat, beginnt er seine zweite Frau, die das komplette Gegenteil ist, zu hassen. Und doch ist er abhängig von ihr.

Lene ist die zweite Frau des Bahnwärters. Sie versucht, die Familie zusammenzuhalten und gut durchzubringen. Weil sie eben nicht alles perfekt machen kann, gibt sie Thiel die Schuld an jedem Problem. Da Thiel seinen Sohn Tobias mehr liebt als sie, ist sehr eifersüchtig auf den Kleinen. Sie schlägt ihn, und zeigt ihm, dass er nicht ihr Sohn ist.

Minna ist die erste Frau Thiels. Sie ist kränklich und schmal, passt äußerlich also gar nicht zu dem starken Bahnwärter. Sie stirbt während der Geburt des ersten Sohnes, Tobias. Später stellt sich Thiel Minna aber so genau vor und spricht mit ihr, dass sie in der Geschichte am Leben bleibt. Obwohl die Gefühle des Bahnwärters Thiel sehr genau beschrieben werden, bekommt man erst beim Tod von Tobias seinen unglaublich großen Schmerz mit. Erst dann fühlt man, was er fühlt, die Erzählweise verändert sich trotzdem nicht.

„Bahnwärter Thiel“ ist ein eher langweilig geschriebenes Buch. Es erzählt vieles zu genau, auf einiges wird dafür gar nicht eingegangen. Im Mittelpunkt steht natürlich jener Bahnwärter, der nach dem Tod seines ersten Sohnes, Frau und Kind tötet. Es ist eine Beobachtung der Veränderung seines Gemützustandes. Erst auf den letzten Seiten „passiert“ die eigentliche Geschichte, erst dann beginnt man richtig zu lesen- und kann erst aufhören, wenn man weiß, wie es endet. Während also der Anfang recht schwer fällt, gewöhnt man sich später an den Stil und bewundert ihn sogar. Man ist betroffen von Tobias Schicksal, verwundert über das von Thiel, hat aber eine gewisse Schadenfreude Lenes Tod gegenüber, weil ihr von vornherein die Schuld an dem Unglück gegeben wird.

„Ode an die Zwiebel“ von Pablo Neruda

Pablo Neruda (1904-1973) war wohl der bedeutendste lateinamerikanische Lyriker.

Ode an die Zwiebel

Zwiebel,
leuchtende Phiole,
Blütenblatt um Blütenblatt
formte deine Schönheit sich,
kristallene Schuppen
ließen dich schwellen,
und im Verborgenen der dunklen Erde
füllte dein Leib sich an mit Tau.
Unter der Erde
ward dieses Wunderwerk,
und als dein unbeholfener
grüner Trieb erschien
und deine Blätter degengleich
im Garten sprossen,
drängte die Erde
ihren ganzen Reichtum zusammen
und wies deine nackte Transparenz,
wie in Aphrodite das ferne Meer
die Magnolie nachschuf,
da es ihre Brüste formte,
also bildete
dich die Erde,
Zwiebel, hell wie ein Planet
und zu leuchten
bestimmt,
unvergängliches Himmelszeichen,
rundliche Rose von Wasser
auf
dem Tisch
der armen Leute.
Verschwenderisch
lässt du
deinen Globus der Frische zergehn
im verzehrenden Sud
des Topfes
und der kristallene Saum
in des Öls Hitze
verwandelte sich in eine gekräuselte Feder von Gold.

Auch gedenke ich, wie dein Zutun
die Freundschaft des Salates fruchtbar macht,
und es will scheinen, der Himmel hilft mit,
da er dir des Hagelkorns zierliche Gestalt verlieh,
deine feingehackte Helle zu rühmen
auf den Hemisphären einer Tomate.
Aber erreichbar
den Händen des Volkes
und beträufelt mit Öl,
bestreut
mit ein wenig Salz,
tötest du den Hunger
des Tagelöhners auf mühsamem Wege.
Stern der Armen,
gütige Fee,
eingehüllt
in zartes
Papier, kommst du aus der Erde,
ewig, vollkommen, rein
wie der Gestirne Samenkorn,
und wenn in der Küche
das Messer dich zerschneidet,
quillt die einzige
leidlose Träne.
Du machst uns weinen, ohne uns zu betrüben.
Solange ich lebe,
lobsingen will ich,
Zwiebel,
für mich bist du schöner doch
als mit blendenden Schwingen
ein Vogel,
für meine Augen bist du
Himmelskugel, Platinkelch,
beschneiter Anemone
unbeweglicher Tanz,

und der Erde ganzer Duft,
er lebt in deiner kristallinischen Natur.

Klingt auf Spanisch natürlich nochmal so schön:

„Oda a la cebolla“:
Cebolla
luminosa redoma,
pétalo a pétalo
se formó tu hermosura,
escamas de cristal te acrecentaron
y en el secreto de la tierra oscura
se redondeó tu vientre de rocío…
Bajo la tierra
fue el milagro
y cuando apareció
tu torpe tallo verde,
y nacieron
tus hojas como espadas en el huerto,
la tierra acumuló su poderío
mostrando tu desnuda transparencia,
y como en Afrodita el mar remoto
duplicó la magnolia
levantando sus senos,
la tierra
así te hizo,
cebolla,
clara como un planeta,
y destinada
a relucir,
constelación constante,
redonda rosa de agua,
sobre
la mesa
de las pobres gentes.

(Bis zu Tisch der armen Leute)

Gedichtinterpretation
Ode an die Zwiebel von Pablo Neruda
Von Patricia Radda

Die „Ode an die Zwiebel“ besteht aus drei Strophen, die unterschiedlich lang sind, und welche auch sonst keine Gemeinsamkeiten haben. Die letzte Strophe besteht nur aus zwei Zeilen, die das Gedicht abrunden.
Die übrigen Zeilen wirken beim ersten Durchlesen beliebig unterteilt. Manchmal stehen zwei Worte in der Zeile, dann wieder eines oder mehr. Später merkt man, dass die einzelnen Worte nur übrigbleiben, weil sie geschrieben werden müssen, aber nicht zur poesievollen, vorangegangenen Zeile passen.

Sowohl in der ersten, als auch in der letzten Strophe kommt das Wort „kristallen“ vor. Dieses Wort wurde vermutlich noch nie im selben Text zusammen mit dem Wort „Zwiebel“ erwähnt. Pablo Nerudas Geschick liegt darin, viele solche Worte zu finden. Wunderwerk, Aphrodite und sogar ein einfaches Wort wie Blütenblatt, wirken plötzlich kostbar. Denn wer denkt bei einer Zwiebel schon an die Blütenblätter?

Zum Inhalt lässt sich Einiges sagen. Kurz: Der Autor ehrt die Zwiebel und erhebt sie in gewaltige Höhen. Während es in der ersten Strophe darum geht, wie die Zwiebel in der Erde entsteht und wächst, lobt der Autor in der zweiten Strophe ihre Einfachheit. Natürlich denkt man bei diesen ernsten Themen sofort: Die Zwiebel ist nur eine Metapher! Er meint doch etwas ganz anderes!
Aber was, wenn nicht? Die Zwiebel ernährt die einfachen Leute, die nichts haben und gleichzeitig gelangt sie in die riesigen Küchen der Oberschicht. Etwas, das wohl nicht vielen gelingt. In der zweiten Strophe fällt vor allem ein Thema auf: Die Zwiebel ist das einzige, was uns zum Weinen bringt, aber uns kein Leid zufügt. Das ist für Menschen, die sich sonst nicht erlauben zu weinen, vielleicht auch ganz wichtig. Wichtig scheint auch, dass die Schale als Schutz erwähnt wird.

Der Autor, Pablo Neruda, war der bedeutendste Lyriker in Lateinamerika. Als er die „Ode an die Zwiebel“ geschrieben hat, hat er vermutlich mit einem Auge gelacht und mit dem anderen geweint. Ohne jeden Zweifel geht es für ihn in dem Gedicht um Armut.
Darüber, dass so etwas wie eine Zwiebel viel für arme Menschen tun kann, hat er aber vermutlich eher gelacht- allein schon bei der Vorstellung, wie sich alle seine Leser fragen, auf was er jetzt wohl mit der Zeile anspielt.

Für was könnte die Zwiebel stehen? Vielleicht für das vielschichtige Leben.